Sonntag, März 27, 2005

Starke Marken in der Gastronomie

Die Nacht zum Ostersonntag habe ich in einer Bierbar in Manhatten - im d.b.a. auf der First Avenue - verbracht. Mit einem guten Imperial Stout und einer besonders motivierten Kellnerin: Kourtney Keller war eben in der Sonntagsausgabe der New York Times auf zwei Seiten portraitiert worden - und sie konnte mit Recht stolz darauf sein:
http://www.nytimes.com/2005/03/27/magazine/27FOOD.html?
"Like any seasoned bartender, she has learned more than she ever wanted to know about her customers", schrieben die Kollegen von der New York Times, und: "She moved with great efficiency but also a few mannered, swooping flourishes, like Isadora Duncan if she had tended bar. On one occasion, Keller launched a whiskey bottle with a ''speedpour'' nozzle into the air, upside down, held high in her right hand. The rocks glass in her left hand moved frenetically up and down in the stream of whiskey, at eye level, as she homed in on the perfect quantity, neither too generous nor too stingy. "
Kein Zweifel: Kourtney Keller ist mit ihrem Auftreten, ihrer Arbeit und ihrem Styling ("her attire, a layered ensemble of pinks and maroons, and her punky, Art Deco bob") eine starke Marke ICH - übrigens nicht nur in der Gastronomie, sondern auch als Foto- und Videokünstlerin.
Dazu fällt mir ein, dass ich mich vor langer Zeit, nämlich im Herbst 2001, mit der Bedeutung von Marken in der Gastronomie befasst habe - in einer Story für die ÖGZ:
"Natürlich gibt es Nischen, wo noch nicht auf die Marke geschaut wird und wohl auch noch in absehbarer Zukunft nicht geschaut werden wird – obwohl die Marken uns natürlich vertraut wären. Salz und Pfeffer stehen etwa auf dem Tisch, ohne dass wir ernsthaft fragen würden, ob im Streuer Bad Ischler Spezialsalz, in der Mühle Kotany-Pfeffer ist. Und ebenso natürlich nehmen wir an, dass der Chef in der Küche schon die besten Zutaten gewählt haben wird, die uns dann vorgesetzt werden.
Dafür steht er ja gerade, dafür steht das Haus gerade.
Das aber ist ja der Kern des Markenverständnisses: Die Marke garantiert für eine Qualität, deren rationale Maßstäbe uns als Laien nicht zur Verfügung stehen – das gilt bei Jeans genauso wie bei Kaffee: Ist der „Absender“ des Produktes die Firma Levi Strauss, dann sind wir sicher, dass das gute Stück sitzt, ebenso würdigen wir schon im vorhinein das Aroma und den Wohlgeschmack des Illy-Kaffees - heißt der Absender Hofer, dann zweifeln wir schon an der Qualität, bevor wir noch das Produkt selber gesehen, befühlt oder geschmeckt haben. Und das, obwohl die objektiven Qualitätsanforderungen von Hofer bzw. Aldi sicher nicht unter denen der Markenartikler liegen.
Aber für Markenprodukte zahlen wir gerne eine Prämie, eine Art „Privatsteuer“ auf unseren Glauben an das besondere Qualitätsbewusstsein des Markeninhabers. Und diese Tendenz nimmt zu. Das bedeutet nicht nur, dass große Marken als Betreiber von (System-) Gastronomie zunehmend Bedeutung gewinnen werden – es bedeutet vor allem auch, dass das „Ingredient Branding“, also die klare Auszeichnung von in der Gastronomie verkauften Produkten und von verwendeten Marken-Zutaten wichtiger wird. Bei einigen Produkten ist das längst eine etablierte Selbstverständlichkeit – es macht ja Sinn, nicht einfach „Bier“ zu verkaufen, sondern ein Gösser, Budweiser, Paulaner oder Guinness und das dem Gast nicht nur auf dem Glas, sondern auch auf der Karte und sogar außen auf dem Wirtshausschild mitzuteilen. Beim Kaffee und Tee ist dieses Markenverständnis in einem rasanten Aufschwung, beim Wein ebenso und beim Wasser entwickelt es sich langsam.
Und es geht weiter: Es beginnt sich zu lohnen, Markenfleisch wie Styria Beef als Zutat extra zu deklarieren, dasselbe dürfte in absehbarer Zeit für Markenkartoffel und womöglich auch für andere Gemüse gelten.
Bleibt da noch Platz für Individualität? Ja, denn der Gast braucht in der Markenwelt verlässliche Führer – also Betriebe und Mitarbeiter, die selber eine gewisse Markenstärke aufgebaut haben und nicht einfach nur Verkäufer von (Marken-)Produkten sind. Einige wenige haben das schon bisher geschafft: Steirereck und Korso sind ebenso hochgeschätzte Marken wie ihre Küchenchefs Österreicher und Gerer – sie sind in ihrem Markt fest als Marken etabliert. Andere müssen sich auf ihren Märkten noch als Marken etablieren, denn in unserer Markenwelt werden nur starke Marken wahrgenommen, ob sie nun „McDonalds“, „Graselwirtin“ oder „Josef, das Bierlokal“ heißen. Für die Mühe, die in einem solchen Markenaufbau steckt, winkt als Prämie all das, was ein Markenartikler lukrieren kann: Hohes Ansehen, hohe Kundenbindung und vor allem ein hoher Preis für die geleistete Arbeit."