Dienstag, August 23, 2005

Charles Darwin und die Markenbildung

"Every Guru has a Guru" - ich gebe zu, auch ich habe einen. Genau genommen sogar mehrere. Jemand, dessen Lektüre immer wieder mein Verständnis von Marken und Marketing erweitert, ist Al Ries. Hier meine Empfehlung für das eben auf deutsch erschienene Buch "The Origin of Brands" (Al & Laura Ries: Die Entstehung der Marken - Redline Wirtschaft, Frankfurt am Main 2005 313 Seiten, 29,90 Euro) :
Es ist kein Zufall, dass sich Marketing-Guru Al Ries und seine Tochter Laura bei diesem Titel an Charles Darwins "The Origin of Species" anlehnen - und entgegen gängigem Gejammer über "Sozialdarwinismus" behaupten, dass sich die Wirtschaft eher zu wenig als zu viel an den Erkenntnissen Darwins orientiere.
Dabei geht es (anders als auf dem Titel suggeriert) gar nicht so sehr um "das Überleben der Stärksten im Business", sondern darum, dass die Natur immer neue Spezialisierungen und immer neue Problemlösungen hervorbringt: "Die Natur begünstigt die Extreme", hat schon Darwin gewusst. Das habe sich auch im Wirtschaftsleben als Erfolgsprinzip durchgesetzt, erklären die Autoren - auch wenn diese Erkenntnis nicht sehr modern ist. Als modern gilt das Gegenteil von Spezialisierung: Statt Divergenz, die Platz für (Produkt-)Innovation und neue Marken schafft, gilt Konvergenz als erstrebenswert.
Während die eierlegende Wollmilchsau in der Natur keine Chance hätte, werden von Technikern und Marketingleuten solche Lösungen angestrebt. Ries & Ries spotten dann auch ausgiebig über die gehypten "interaktiven Alleskönner", die viel Platz in den Medien bekommen, aber auf dem Markt keine Akzeptanz finden: Sie erinnern an das Autoboot "Amphicar" von 1961 und an das 1945 entwickelte "fliegende Auto" - Konvergenzprodukte im Transportbereich, die ebenso gescheitert sind, wie nach ihrer darwinistischen Einschätzung das Zusammenwachsen von PC und Fernsehen, Handy und Laptop scheitern muss.
Erfolg versprächen differenzierende Kategorien: Red Bull hat die Kategorie Energy-Drinks geschaffen - Budweiser dürfte damit scheitern, das "BE", ein mit Energy-Drinks gestrecktes Bier zu etablieren.